Vieles ist möglich
Die täglichen Neuinfektionen in Deutschland liegen weiter auf einem hohen Niveau. Am heutigen Samstag (14.11.2020) meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) 22.461, ein paar weniger als vor einer Woche: 23.399. Ein Trend lässt sich daraus nicht ableiten. Die Gesundheitsämter sind weiterhin überlastet – mit der Nachverfolgung der Infektionen, aber auch weil immer mehr Menschen dort anrufen: „Abertausende Anrufe Tag für Tag. Beratungsbedarf riesig“ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung [WAZ] 14.11.2020, Seite 1 und Aus der Region). Es gibt – erfreulicherweise – einen Impfstoff, den die Pharmafirmen Biontech und Pfizer entwickelt haben. „Sobald das Serum auf dem Markt sei, werde es überall in Europa verteilt. Der genaue Zeitpunkt ist aber offen.“ (WAZ 11.11.2020, Seite 1). Sicher ist, dass wir erst einmal ohne Impfschutz durch den Winter kommen müssen. Ob das ohne weitere Lockdown-Maßnahmen, beispielsweise die Schließung von Kitas und Schulen, möglich ist, wäre mit Blick auf die Interessen und Bedürfnisse von Kindern, Schüler*innen und ihren Familien wünschenswert. Garantieren kann das die Politik nicht. Auch in diesem Blog haben wir das vor einem Monat noch optimistischer gesehen: „Kitas sind keine Infektionsherde“. Viel wird davon abhängen, wie verantwortlich und sorgsam jede*r Einzelne in den nächsten Wochen Hygiene- und Schutzmaßnahmen umsetzt und Kontakte reduziert. Darüber hinaus wird mitentscheidend, wie die Kitas und die Schulen aufgestellt werden bzw. sich selber aufstellen. Hierzu ein paar Überlegungen:

Kitas
Im Blog vom 20.09.2020 haben wir schon mal Schutzmaßnahmen, die die Kitas umsetzen sollten, systematisiert:
„- keine Durchmischung der Gruppen (Verzicht auf offene Arbeit),
– keine Gruppenwechsel der Fachkräfte ,
– möglichst viele Aktivitäten Outdoor,
– Umsetzung der Hygieneauflagen durch Kinder und Erwachsene…,
– Aufteilung des Außengeländes,
– Abstandsregeln der Erwachsenen,
– Übergabe der Kinder im Eingangsbereich,
– Nutzung größerer Räume (z.B. Bewegungsräume),
– Elternversammlungen und Elternkontakte gg.falls digital.“
Wie wichtig in diesem Zusammenhang, das mittlerweile bis zum Ende des Kindergartenjahres verlängerte Programm der Landesregierung für die Alltagshelfer*innen ist, wird auch daran deutlich, dass mittlerweile 8.790 (= 84 Prozent) von den ca. 10.500 Kitas in NRW das Programm in Anspruch nehmen. Hierdurch werden die Fachkräfte entlastet und Personalengpässe können zumindest teilweise kompensiert werden. Wir haben über das Programm schon häufiger berichtet:
Hilfe im Alltag – Bericht aus der Kita am Wald (Blog vom 25.8.2020)
NRW: Alltagshelfer*innenprogramm für die Kitas wird 2021 fortgesetzt (Blog vom 14.9.2020)
Alltagshelfer*innen für die Kitas bis zum 31.7.2021 – Die zweite Welle rollt! (Blog vom 8.11.2020)
Das Programm sollte noch ausgebaut und dringend auf den Offenen Ganztag an den Grundschulen (OGS) in Anspruch ausgeweitet werden. Eine gute Personalausstattung verbessert neben der Erfahrung, Kompetenz und Motivation der Mitarbeiter*innen die Möglichkeiten, das Infektionsgeschehen möglichst niedrig genug zu halten.

Schulen
„In Bochum sind knapp die Hälfte aller Schulen (39 von 80) von Coronafällen betroffen. (WAZ. 11.11.2020, Lokales). In ganz NRW befanden sich am 4. November „mehr als 50.000 Schüler in Quarantäne. An 87,5 Prozent der Schulen sei regulärer Präsenzunterricht für alle Klassen möglich. Noch Anfang November hatte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) von `mehr als 98 Prozent´ gesprochen.“ (Ebd., Seite 1). Die Landesregierung ist in den letzten Tagen schon von mehreren Seiten (Eltern- und Lehrerverbände, Schülervertretungen, Gewerkschaften, SPD, Grüne) aufgefordert werden, das Konzept des regulären Präsenzunterrichts für alle zu differenzieren. Bisher hat sie als einzige Reaktion auf die Zunahme der Infektionen insgesamt und den Anstieg in den Schulen den Beginn der Weihnachtsferien um eine knappe Woche auf den 18.12. vorverlegt. Mit Blick auf die Entwicklungen in anderen Ländern (siehe oben Österreich) liegt es nahe das bisherige Hygienekonzept des Bildungsministeriums, das lediglich aus Lüften und Maskenpflicht im Unterricht besteht, zu differenzieren und zu erweitern.
Das zentrale Ziel entsprechender Maßnahmen ist es – hoffentlich erfolgreich – dazu beizutragen, eine vollständige Schließung der Schulen im Interesse der Schüler*innen und deren Familien in den nächsten Wochen vermeiden zu können. Schon vor Wochen hatten Virologen als präventive Maßnahme vorgeschlagen, die Klassengrößen mit Blick auf die Reduzierung des Infektionsgeschehens – es sind ja oft bis zu 30 Schüler*innen in einer Klasse – zu reduzieren (Blog vom 20.09.2020). Dabei bietet es sich mit Blick auf die oft sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Schulen (verfügbare Räume, digitale Ausstattung, Anzahl der Schüler*innen pro Klasse, verfügbare Lehrkräfte etc.) an, die konkrete Umsetzung in die Verantwortung der einzelnen Schulen und Schulträger vor Ort zu geben. „Wir sollten es den Schulen überlassen, wie sie Klassen teilen; ob sie den Unterricht auf den Vormittag und den Nachmittag verteilen oder bestimmte Gruppen nur jeden zweiten Tag unterrichten. Oder ob sie Präsenzunterricht und Homeschooling im wöchentlichen Wechsel anbieten.“ (Anregungen Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach nach WAZ 14.11.2020, Tagesthema). Schulen in Solingen haben entsprechende Modelle zur Halbierung der Klassengrößen und die Umsetzung von Hybridunterricht (je 50 Prozent der Schüler*innen im Präsenz- und Distanzunterricht) entwickelt und auch schon umgesetzt (Ebd. 4.11.2020, Seite 1). Deren Umsetzung wurde von der NRW-Bildungsministerin untersagt. (Ebd. 5.11.2020, Seite 1) Durch das strikte Festhalten am regulären Präsenzunterrricht für alle Kinder, könnte das Risiko eines vollständigen Lockdowns steigen. Dieser würde dann besonders wieder die Schüler*innen aus sozialschwachen, bildungsfernen und nicht deutsch sprechenden Familien benachteiligen (Blog vom 09.06.2020 und vom 10.08.2020).