Normalbetreuung in den Kitas und Grundschulen in NRW – Konsens und Dissens!

Ab heute (8.6.) dürfen wieder alle Kinder in NRW in die Kinderbetreuung. Das ist ein großer Schritt in Richtung Normalität. NRW gehört damit zu den `Vorreitern´. Dies betrifft auch die vollständige Wiedereröffnung der Grundschulen zum 15.6., also zum Beginn der kommenden Woche. Während die Ausweitung der Kitabetreuung - trotz Nachbesserungsbedarf - viel Zustimmung findet, wird der Neustart in den Grundschulen zum Konflikt zwischen Schulministerin Gebauer auf der einen und den Lehrer*innen und Eltern auf der anderen Seite. Hierzu - sowie zum für die Kitaträger enttäuschenden Konjunkturpaket und der nach wie vor ungeklärten Bewertung von Infektionsrisiken durch Kinder - die wesentlichen Informationen. Morgen stelle ich die zentralen Aussagen der aktuellen Elternbefragung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) vor: Kindsein in Zeiten vor Corona - Erste Ergebnisse zum veränderten Alltag und zum Wohlbefinden der Kinder.

Eingeschränkte Regelbetreuung in den Kitas in NRW
Mit der ab heute (8.6.) in NRW eingeschränkten Regelbetreuung dürfen wieder alle Kinder in die Kita; der Betreuungsumfang ist aber für jedes Kind um 10h in der Woche reduziert. Ein Kind, das bisher einen Ganztagsplatz mit 45h in der Woche hatte, darf ab jetzt nur noch 35 h kommen. Mit der Rückkehr zur Regelbetreuung entfällt der Anspruch auf eine Notbetreuung für Personen, die in den so genannten kritischen Berufen arbeiten. Die Notbetreuung schloss auch Betreuung an Wochenenden und an Feiertagen mit ein. Dies schafft für viele Eltern, in ganz besonderem Maße für Alleinerziehende große Probleme: „Die Verzweiflung bei den Alleinerziehenden und viele fürchten um ihren Arbeitsplatz“, so die Landesvorsitzenden des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in der WAZ (5. Juni 2020, Seite: Aus der Region). Dazu Julia Schmidt, Altenpflegerin: „erst hat man uns beklatscht und Bonuszahlungen geordert. Jetzt heißt es: Macht ihr mal:“ (Ebd.) Auch die Sozialdezernentin der Stadt Bochum Britta Anger kritisiert dies im Gespräch mit der WAZ: „Hier sehen wir große Probleme für Eltern, die dringend den gewohnten Betreuungsumfang für ihre Kinder benötigen.“ (Ebd., 8 Juni 2020, Lokalteil Bochum). Die WAZ berichtet weiter: „Die Stadt werde in Absprache mit den Trägern der Kitas für Härtefälle eine Betreuung über die reduzierte Regelzeit hinaus ermöglichen… Härtefallregelungen können für Eltern greifen, denen eine Kündigung, eine Betriebsschließung mit Jobverlust oder ein erheblicher Verdienstausfall droht, der nicht durch staatliche Hilfe aufgefangen wird,  sowie für Kinder, die das Jugendamt sonst ohne Notbetreuung in Obhut nehmen würde.“ (Ebd.)

Ferienbetreuung und die Hochschulinitiative „Lernferien NRW“
„Weil die wochenlange Schließung von Schulen und Kitas in der Corona-Krise viele Familien an die Belastungsgrenze gebracht hat, fordern Elternverbände umfassende Betreuungsangebote in den gesamten Sommerferien:“ (WAZ vom 3. Juni 2020, Seite 1). In diesem Zusammenhang bietet sich die Einbindung der Initiative „Lernferien NRW“ der drei Hochschulen des Ruhrgebiets an (siehe Blog vom 27.5. – Federführung Hochschulen?!). „Wir sehen es als unseren gesellschaftlichen Auftrag an, einen Beitrag zur Abmilderung der besorgniserregenden Entwicklung durch die Corona-Pandemie zu leisten.“ (Professorin Birgit Leyendecker von der Ruhr-Uni-Bochum, ebd., Seite 2). Die Lehrerverbände schlagen vor, „über Samstagunterricht nachzudenken“ und betonen: „Neue Betreuungsangebote in den Sommerferien dürften nicht zu Lasten der Pädagogen gehen.“ (Ebd.)

Konjunkturpaket
Die Koalition hat ein Konjunkturpaket von 130 Milliarden Euro beschlossen. Darin enthalten sind ca. 8 Mrd. € für „Junge Menschen und Familien“. Gut die Hälfte davon macht der Kinderbonus von 300 € pro Kind aus. Der Elementarbereich wird mit 1 Milliarde € bedacht: „Um im Bereich der Kindergärten, Kitas und Krippen den Kapazitätsausbau zu fördern und Erweiterungen, Um- und Neubauten zu fördern, werden eine Milliarde Euro zusätzlich für Ausbaumaßnahmen bereitgestellt, die in 2020 und 2021 stattfinden. Die Mittel können auch für Umbaumaßnahmen zur Verbesserung der Hygienesituation eingesetzt werden.. (Punkt 27 des Konjunkturpakets, Seite 6). Das kann man nur als enttäuschend bezeichnen. Der Kapazitätsausbau steht so oder so an. Es hätte sich angeboten, Geld bereitzustellen für den schon seit Jahren geplanten Einstieg in die deutliche Verbesserung der Personalschlüssel. Da wären wir bei fünf bis 10 Milliarden € pro Jahr. Siehe hierzu auch den Blogbeitrag von Kirsten Bücker-Enking (Hiltruper Stroclhe) und ganz grundsätzlich: Ein finanzieller Masterplan für die Elementarbildung. Und hier finden Sie das vollständige Konjunkturpaket.

Gegeneinander statt Miteinander
Am 15.6. sollen alle Grundschulen in NRW wieder den Normalbetreib aufnehmen. Diese Entscheidung kam vollkommen unerwartet und offensichtlich ohne die Einbindung der beteiligten Akteure: „Lehrer empört über Ministerin Gebauer. Eltern in großer Sorge:“ (WAZ vom 6. Juni 2020, Seite 1). Da die Abstandsgebote und die Maskenpflicht aufgehoben werden, „müssen Klassen nicht geteilt werden. Die Abstandsregeln werden durch `konstante Lerngruppen´ ersetz, die den Infektionsschutz gewährleisten sollen: fester Klassenverband, laufende Dokumentation der Anwesenheit von Kindern, gestaffelte Anfangs- und Pausenzeiten (Ebd., Seite 2). Parallel dazu nimmt auch der Offene Ganztag wieder seinen Betrieb auf. „Das gilt auch für die Übermittagsbetreuung: Die schulische Notbetreuung endet damit.“ (Ebd.) Die Vorsitzende der Landeselternkonferenz Anke Staar: „Es drohe eine `Vollkatastrophe´, wenn nun ohne Abstandsregelung unterrichtet werden soll.“ (Ebd., Seite 1). „Maike Finnern, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenshaft (GEW) hält die Öffnung für `gefährliche Symbolpolitik auf dem Rücken von Schülern und Lehrern.“ Aber es gibt vereinzelt  auch Zustimmung: „Die Landeselternschaft der Grundschulen hingegen sieht die Rückkehr zum regulären Unterricht erfüllt.“ (Ebd.) – Auch im Zusammenhang mit Besuchen von Angehörigen in Pflegeheimen gibt es offensichtlich Konflikte. „Heimbetreiber beklagen, dass Angehörige zunehmend nachlässiger würden, dass es sogar zu Streits und Aggressivität komme“. (Ebd. Seite 2) Umgekehrt kritisiert die Stiftung Patientenschutz, „dass die stationären Einrichtungen zu Hochsicherheitszonen ausgebaut worden seien. Trotz Aufhebung des Besuchsverbots verwehrten manche Heimbewohner den Zutritt, andere ermöglichten ihn nur sehr restriktiv“: (Ebd.)

Todesfälle, Infektionsgefahren und Kinder
Die Niederlande hatten bisher in der Corona-Krise nur auf Abstandregeln bestanden. „Bis Mittwoch waren in den Niederlanden, das mit seinen 17 Millionen kaum mehr Einwohner zählt als Nordrhein-Westfalen, 46.733 Menschen infiziert, fast 6000 starben.“ (WAZ vom 4. Juni 2020, Politik). In NRW sind bisher 1595 Menschen an Corona gestorben (Quelle).. Am 1. Juni wurde jetzt in den Niederlanden „eine Maskenpflicht eingeführt, aber auch die nur in Bus und Bahn.“ (Ebd.) – Ähnlich ist der Anteil der Coronatodesfälle in Schweden, ca. 4.500 Tote bei rund 10 Millionen Einwohnern. Auch Schweden hat weitgehend auf Kontakteinschränkungen verzichtet. (WAZ vom 8. Juni 2020, Seite Politik). – Mehrfach wurde in den letzten Tagen behauptet, infizierte Kinder seien weniger ansteckend (siehe Blog vom 2.6. – Corona-Infektionen). Professor Christian Drosten sieht bisher „keine Beweise, die Vermutungen stützen, dass Kinder weniger infektiös seine als Erwachsene.“ (Ebd., Verbraucher) – Es ist nach wie vor nicht verlässlich prognostizierbar, welche Auswirkungen die Ausweitung der Kitabetreuung und des Schulbesuchs – in NRW dürfen ab dem 8. Juni wieder alle Kinder in die Kita und ab dem 15. Juni wieder alle Kinder in die Grundschule – auf die Infektionszahlen haben werden.