Die Kinderperspektive auf Corona und das Quasselfenster in Moers

Am 5.4. hat Sonja Bäck, Fachberatung für die städtischen Kitas in Moers, einen Blog mit dem Titel veröffentlicht: „Wir müssen die Kinderperspektive einnehmen!" Sie schrieb: „Die Kinder erleben, dass sie nicht mehr in die Kita dürfen, auch viele Erwachsenen verunsichert sind, `irgendwie´ auf einmal alles ganz anders ist als sonst (=normal). Und: Sie, die Kinder, verstehen nicht WARUM! Das hat mit ihrem Alter zu tun. Je kleiner die Kinder sind, desto geringer ist ihr Abstraktionsvermögen. Was heißt das?“ In diesem Blog bietet uns Margret Kranen, Leitung der städtischen Kindertageseinrichtung Ulrich-von-Hutten-Straße, hierfür eine Vielzahl von anschaulichen Beispielen.

Im Folgenden einige Aussagen von, Telefonte mit Kindern sowie ein paar Geschichten vom Quasselfenster, die uns Erwachsenen zumindest ein wenig nachvollziehbar machen, wie Kinder sich mit Corona auseinandersetzen, was ihnen wichtig ist, worauf sie achten….Es lohnt, sich den Kindern zuzuhören und ihnen zu folgen!

Telefonate mit Kindern:
L. (5 J.) telefoniert mit mir.
 Er erzählt, was er gerade gemacht hat und möchte ganz genau wissen, wo ich mich gerade in der Kita befinde. – Ich sage ins Telefon: „ich sitze im Büro.“  -L. antwortet : „Ah ,da wo du immer sitzt, wenn du anrufst. Da kann ich dich ja immer sehen, wenn ich in die Turnhalle zum Spielen gehe.“ Für L.scheint wichtig, dass Kita so ist, wie er sie in Erinnerung hat.

B. ist das erste Kind, das in der Coronazeit Geburtstag hat und wird 5 Jahre alt. – Ich rufe bei B. zuhause an, um ihm zu gratulieren! Seine erste Aussage: “Frau K.,  ich bin jetzt 5! Du musst mich am Kalender (Geburtstagkalender) umhängen, kannst du das sofort machen?“-  Ich lege den Telefonhörer zur Seite und erledige diese Aufgabe. Danach möchte B. genau wissen, neben wem er jetzt hängt. – Ich merke, wie wichtig ihm dieses Umhängen des Fotos ist. Bei anderen Kindern, die Geburtstag haben, stelle ich dieses auch fest. Rituale haben für Kinder in Corona-Zeiten bestand (Oder vielleicht sogar nocjh eine höhere Bedeutung als in normalen Zeiten?).

M. (4 J.) hat mir während eines Telefongesprächs erzählt: „Ich kann jetzt Fahrrad fahren! Willst du das mal sehen?“ – Wir machen einen Termin am Zaun der Kita aus. Er fährt stolz mit seinem Fahrrad vor und zeigt mir sein neues Können. Wir erzählen ganz viel, von jetzt an kommt er öfter mit seiner Mutter vorbei. Er fragt auch immer, wer in der Notbetreuung ist. Er winkt den anderen Kindern zu und / oder sie erzählen sich etwas mit Abstand am Zaun.

Bei den Telefonaten mit den Kindern ist mir aufgefallen, dass alle Eltern gute Aufklärungsarbeit über „ Corona“ geleistet haben, durchweg haben mir alle Kinder erzählt, dass wir uns wegen dem Virus nicht sehen können. Egal welches Alter sie haben. Kinder können offensichtlich gut mit richtigen klaren Infos umgehen.

Wir haben auch Briefe mit kleinen Aufgaben, Rezepten, Geburtstagswünschen etc. wöchentlich an unsere Kinder geschickt. Dabei ergab es sich zufällig, dass wir bunte Briefumschläge hatten. Automatisch achteten wir darauf, Briefumschläge in den Lieblingsfarben der einzelnen Kinder zu versenden. T. (5 J.) rief mich an und erzählte: „Du hast mir einen gelben Brief geschickt, weil du weißt, dass ich GELB soooooo mag!“

Eltern erzählen mir am Telefon, wie ihre Kinder auf den Postboten warten, wie glücklich sie sind, wenn der Kindergarten wieder geschrieben hat. Die Briefe und Postkarten werden zuhause gesammelt, hängen an der Pinnwand und geben Anlass für Gespräche.

Morgens komme ich in die Kita und ein Wald- und Wiesenblumenstrauß steht vor der Eingangstür. L. (5 J.) hat ihn selbst gepflückt und einen kleinen Brief seiner Mutter diktiert, wie sehr er uns und seine Freunde vermisst.

Geschichten vom Quasselfenster:
A. ( 4 J.) kommt ans Quasselfenster hüpft vor Freude in die Luft, strahlt und lacht ausgelassen. So sieht echte Freude und Glück aus. Er fragt nach seinen Freunden, ich erzähle ihm, dass ich mit seinen beiden engsten Freunden schon am Quasselfenster gesprochen habe, und dass sie auch nach ihm gefragt haben. Ich werde zum Überbringer von Nachrichten seiner Freunde und von ihm wieder zurück. Er freut sich. Soviel Freude im Gesicht eines Kindes zu sehen, dass sonst eher zu den ruhigen Kindern gehört ist schön. Selbst seine Mutter war erstaunt und freute sich mit ihrem Sohn.

H. ist gerade 3 Jahre geworden und kommt ans Fenster. Es dauert lange, bis sie Blickkontakt aufnimmt. Die Mutter erzählte, dass H. eigentlich nicht mitkommen wollte, sondern im Moment nur alles mit ihrer kleinen Schwester zusammen mache. Ich habe Blätter und Stifte auf dem Tisch vor dem Quasselfenster liegen. Plötzlich fängt H. anzumalen und gleichzeitig spricht sie mit mir über die Farben, die sie zum Malen nimmt. Das „Fremdeln“ ist vorbei. Nach einer Stunde verabschieden sich beide. Kaum zu Hause ruft die Mutter mich an und wir machen auf Wunsch von H. einen neuen Termin fürs Quasselfenster aus.

E. ist 5 J. geworden und hat seinen ersten Termin am Quasselfenster. Er gehört zu den „harten“ Jungs in der Kita. Er ist sonst immer der „Coole“. Sprachlos vor Rührung mit Tränen in den Augen steht er vor dem Quasselfenster. Es dauert ein paar Minuten, bis er vor Freude übers ganze Gesicht strahlt, und dann ohne Punkt und Komma erzählt.

Ein Geschwisterpaar kommt täglich ans Fenster, meistens zu unterschiedlichen Zeiten. Die Eltern sitzen etwas abseits und lassen ihre Kinder von ihrem Alltag berichten. Die Geschwister erzählen immer unterschiedlich lang von ihren Erlebnissen. Es sind schöne Gespräche. Beide machen immer direkt neue Termine bei unterschiedlichen Kolleginnen. Wenn sie alles, was für sie wichtig ist, berichtet haben kommt: „So jetzt habe ich genug gequasselt!, Jetzt geh ich wieder nach Hause, bis morgen.“

Fazit
Allgemein können meine Kolleginnen und ich sagen: Das Quasselfenster ist ein voller Erfolg! Alle Kinder freuen sich, uns als festen Bestandteil der Einrichtung wiederzusehen. Die Kinder und wir erzählen einfach über unseren Alltag: “Was machst du?“ – „Es ist schön, dich zu sehen!“ – „Sieh mal, ich habe neue Schuhe.“ –  „Ich bin schon gewachsen: Meine Hosen passen nicht mehr!“ – „Hast du meine Fotos und  Bilder bekommen?“ – „ Ich werde großer Bruder, meine Mami bekommt ein Baby!“ – „Mein Papa, meine  Mama arbeiten jetzt immer am Tablet zuhause.“ – „Ich kann jetzt Rollerblades fahren!“ -Durchweg sind wir sofort im Gespräch mit den Kindern gekommen. Ich stelle fest: Wir kennen uns gut! Wir lassen uns auf die Kinder ein! Wir als Erzieher haben vorweg gute BEZIEHUNGSARBEIT geleistet.

Und sonst: Den Blog von Sonja Bäck: Wir müssen die Kinderperspektive einnehmen! – finden Sie hier. Weitere Blogs über die städtischen Kitas in Moers: Wir wenden uns an die Welt! Wir machen uns sichtbar! – Schicke uns ein Bild für den Gartenzaun!Steinschlage, Kinder mit Migrationshintergrund usw.