Primäre Orientierung auf den quantitativen Ausbau

Elementarbildung im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und CSU
Die Verhandlungen zwischen CDU, SPD und CSU für eine mögliche Neuauflage der großen Koalition wurden mit Beginn der Karnevalszeit abgeschlossen. Und nun hängt es von den SPD-Mitgliedern ab, ob diese Koalition zustande kommt. Am 4. März wird das Abstimmungsergebnis der SPD-Basis vorliegen. Ich habe mir aufmerksam die Vereinbarungen zum Elementarbereich angeschaut.

Die Elementarbildung ist den Politikerinnen und Politikern 17 Zeilen wert. Unter der Vorgabe „bestmögliche Betreuung für unsere Kinder“ (Seite 20) werden der „Ausbau des Angebots“ und die „Steigerung der Qualität“ versprochen.

Hier der ganze Abschnitt aus dem Kapitel „Familien und Kinder im Mittelpunkt“ im Wortlaut:
„Wir wollen die bestmögliche Betreuung für unsere Kinder und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu unterstützen wir Länder und Kommunen weiterhin beim Ausbau des Angebots und bei der Steigerung der Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen und dem Angebot an Kindertagespflege sowie zusätzlich bei der Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit. Dafür werden wir jährlich laufende Mittel zur Verfügung stellen (2019 0,5 Milliarden, 2020 eine Milliarde, 2021 zwei Milliarden Euro). Hierbei wollen wir sowohl die Vielfalt der Betreuungsangebote beibehalten als auch die Länderkompetenzen wahren. Die Beschlüsse der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) werden wir hierzu entsprechend umsetzen. Die von uns vereinbarten Ziele im Bereich der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern sind nur umsetzbar,  wenn die erforderlichen Fachkräfte zur Verfügung stehen. Deshalb sollen aus den  Mitteln, die den Ländern zur Verfügung stehen, auch weiter Formen der berufsbegleitenden oder praxisintegrierten Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gefördert werden können. Wir werden uns dafür stark machen, dass u. a. die Bundesprogramme Sprachkitas, KitaPlus, Betriebliche Kinderbetreuung und Kindertagespflege fortgeführt und weiterentwickelt werden.“ (Seite 20) Den vollständigen Koalitionsvertrag finden Sie hier.

3,5 Mrd. € für drei Ziele hört sich allenfalls nach viel an
Wenn man sich das im Detail anschaut muss man leider feststellen, dass diese Vereinbarungen günstigstenfalls einen Stillstand im Elementarbereich bedeuten und in Sachen wenig zu erwarten ist. Warum gibt es eigentlich nicht schon in 2018 zusätzliche Mittel? Der Handlungsbedarf ist doch groß. Die 3,5 Mrd. für die Jahre von 2019 bis 2021 müssen auf die drei Ziele verteilt werden:

– Ausbau des Angebotes,
– Steigerung der Qualität und
– Entlastung der Eltern bei den Gebühren.

Auch wenn die 3,5 € Mrd. auf den ersten Blick eine nicht unbeträchtliche Summe sind, ist abzusehen, dass die „Steigerung der Qualität dabei auf der Strecke bleibt. Um unsere Kitas deutlich besser zu machen in der Förderung und Begleitung der Kinder und ihrer Familien, müssten die Betreuer-Kind-Relationen deutlich verbessert werden. Nur so wird es gelingen, die Chancen für Kinder aus bildungsfernen Schichten und aus Migrationsfamilien zu gesellschaftlicher Teilhabe im notwendigen Umfang anzuheben.

Bessere Betreuer-Kind-Relationen als Schlüssel zu mehr Qualität und Bildungsgerechtigkeit
Wenn man die Empfehlungen der BertelsmannsStiftung zugrunde legt, bräuchten wir ca. 120t mehr Fachkräfte. Die jährlichen Kosten hierfür liegen bei ca.fünf Mrd. €. Nur zum Vergleich: Die Vorteile der Besteuerung von Dieselkraftstoff gegenüber Normalbenzin betragen jährlich ca. acht Mrd. €. Natürlich ist auch eine Entlastung der Eltern bei den Gebühren zu begrüßen. Auch der Besuch in staatlichen Schulen ist kostenlos. Wenn ich aber zu wählen hätte, würde ich in der jetzigen Situation erst die Qualität verbessern; und dann im zweiten Schritt die Gebühren abbauen. Von der Entlastung bei den Gebühren profitieren im Übrigen die besser verdienenden Eltern am stärksten. Der Hartz 4 Empfänger gar nicht: Er zahlt keine Gebühren.

Die Politik weiß, was zu tun ist
Was insgesamt in der Elementarbildung anzupacken ist, ist ja auch schon länger bekannt. Der Bund-Länder-Konferenz „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell absichern“ liegen seit 2016 Empfehlungen für insgesamt neun Arbeitsfelder vor:
1. Bedarfsgerechtes Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebot
2. inhaltliche Herausforderungen
3. Ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel
4. Qualifizierte Fachkräfte
5. Stärkung der Leitung
6. Räumliche Gestaltung
7. Bildung, Entwicklungsförderung und Gesundheit
8. Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Kindertagespflege
9. Steuerung im System
Im Detail nachlesen können Sie hier.

Fachkräftemangel wird zunehmen
Auch dem zunehmenden Fachkräftemangel wird eine Neuauflage der großen Koalition weitgehend tatenlos „berufsbegleitende(n) und praxisintegrierte(n) Ausbildung“ wird weiter gefördert) zu sehen. Ein wirklicher Wille zur Gestaltung ist nicht zu erkennen. In meinen fast täglichen Kontakten mit Trägern und Einrichtungen in der Elementarbildung werde ich zunehmend häufiger mit der sich zuspitzenden Situation konfrontiert: kaum Bewerbungen auf Stellenausschreibungen, nicht besetzte, Rückgriff auf Zeitarbeit  Stellen, Zunahme der Fluktuation usw. Da auch der quantitative Ausbau noch nicht abgeschlossen ist, wird sich das Problem weiter verschärfen. Gestaltungswille wäre erkennbar, wenn sich die Politik an die Themen besser Qualifizierung, bessere Rahmenbedingungen (siehe oben Betreuer-Kind-Relation) und bessere Bezahlung, Männerquote erhöhen rantrauen würde. 

Ob man angesichts dieser Bilanz zur Elementarbildung sich ein Nichtzustandekommen der großen Koalition wünschen soll, mag jede/r selber entscheiden. Mir ist es wichtig, die Politik an ihre Versprechen („mehr Qualität“, „Bildungsgerechtigkeit“) zu messen. Perspektivisch positiv stimmt mich, das das Thema Qualität in Kitas aufgelegt ist (siehe oben die der Bund-Länder-Konferenz vorliegenden Empfehlungen). darüber hinaus gibt es Unterstützung durch die Wissenschaft, die sich zunehmend zusammenschließt und auch in die öffentliche Diskussion einbringt, wie beispielsweise der Aufruf von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, initiiert im Rahmen einer Tagung  der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V. Das Thema wird uns weiter begleiten – über einen längeren Zeitraum. Es lohnt sich dran zu bleiben. Was sonst?