Mit Mut Klartext reden – Kommunikationsfähigkeit in Kindergartenteams rund ums Thema Prävention

Gastbeitrag Sonja Billmann
Es gibt einen inneren Zusammenhang von Prävention und Sprachfähigkeit/Kommunikation zu den Themen sexualisierte Gewalt und sexueller Missbrauch. Sprache ist eine unserer wesentlichen Ausdrucksformen. Mimik und Gestik gehören ebenfalls dazu. Tabuthemen ansprechen und aussprechen, die Kenntnis der eigenen Biographie und ihrer (Sprach)barrieren sind wichtige Faktoren, die zu gelingender Kommunikation in Kindergartenteams beitragen.

Die Tabuthemen enttabuisieren, bedeutet sprachfähiger, kommunikationsfähiger und damit auch resilienter werden. Das trägt dazu bei sozial-emotionale Blockaden aufzulösen und einen schutzvollen Blick auf die Entwicklung der Kinder zu haben. Die Leitung der Kita hat eine wichtige Rolle, um die Sprachfähigkeit eines Teams ohne Scham und der erforderlichen Achtsamkeit herzustellen. Ich möchte einige mir wesentliche Punkte anreißen:

Zugang zu hilfreichen  Modellen und Konzepten
Manche hilfreiche Ansätze sind uns in der pädagogischen Arbeit lange vertraut. Ich stelle hier nochmal Bekanntes und Bewährtes zusammen.
Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist ein Handlungskonzept, das hilfreich sein kann – sowohl in der Arbeit mit Mitarbeitenden und Teams als auch in der Arbeit mit Kindern. Gewaltfrei kommunizieren bedeutet sorgfältig und empathisch zu kommunizieren, die eigene Wortwahl zu überprüfen und die Wirkung unserer Worte beim gegenüber einzuschätzen.
– In der Transaktionsanalyse finden sich unterschiedliche Konzepte und Methoden, die gelingende und dysfunktionale  Kommunikation gut fassbar und erklärbar machen. Durch das genaue Beobachten jeder einzelnen Transaktion tritt ein Verlangsamungseffekt ein, der uns gut analysieren lässt, wo psychologische Erlaubnisse und auch Blockaden sind.
Eine gelingende Kommunikation unterstützt die Entwicklung einer allgemeinen Kultur der Achtsamkeit. Systemische Ansätze beschreiben Wirkungen, Reaktionen und Manifestationen von ganzen Systemen. Das gilt auch in der Kita und nimmt Beobachtungen des Umgangs zwischen Gruppen untereinander oder zwischen einzelnen Kolleg*innen auf. 

Haltung und Umgang mit konstruktiver Kritik
Eine Feedbackkultur installieren, bedeutet
– eine wertschätzende befördernde Kultur der Offenheit zu pflegen, in der es sowohl möglich ist, Feedback zu geben als auch eine Haltung zur Annahme von Feedback zu haben. Das kann beispielsweise durch eine Positivrunde am Anfang einer Teamsitzung oder am Ende eines Projektes angeregt werden.
– konstruktive Kritik geben, meint den Schritt, kritisches Verhalten zu konfrontieren und gemeinsam zu reflektieren, um zu einer Verhaltensänderung zu kommen.
– im Verhaltenskodex von Kitas werden Verhaltensregeln festgelegt. Den Verhaltenskodex im Team zu erstellen, ist ein wichtiger Teil des Schutzkonzepts. Es bedarf Übung und beständiger Reflektion sowohl mit Hilfe des Verhaltenskodex als auch des eigenen Verhaltens, um achtsam mit sich und in der Kommunikation zu sein.
– beispielweise mit einem Ampelsystem zu arbeiten. Das ist sehr hilfreich: Sie werden sicher feststellen, dass sich auf rot und grün schnell verständigt werden kann. Gelb ist schon schwieriger auszuhandeln und daher der produktivste Ansatz sich über Unklarheiten, Ausnahmen und Einzelfälle zu verständigen.

Teamkultur und Teamkommunikation
Der Begriff Teamkultur beschreibt
– die Dynamiken nach außen und innen: Das bedeutet, wie stellt sich das Team nach innen auf, welche Themen sind wichtig und wie wird damit nach außen beispielsweise Richtung Eltern oder Träger umgegangen.
– den Umgang mit Nähe und Distanz: Hier meine ich die Nähe und Distanz in der Unterscheidung des professionellen bzw. persönlichen Umgangs miteinander und auch wiederum mit den Eltern. Beim Thema Prävention ist dies besonders wichtig, denn das Verhalten spiegelt die Nähe und Distanz zu den Kindern und wirft die Frage nach angemessener Nähe bzw. angemessener Distanz auf.
– die Struktur und das Miteinander: Wie ist die Struktur der Kita? Gibt es geschlossene Gruppen, offene Arbeit, Funktionen wie Gruppenleitungen und wie bilden sich diese transparent im Miteinander ab? Beispielsweise durch eine Blitzrunde aller – oder der Gruppenleitungen, beispielsweise durch Großteams oder Kleinteams etc.
– die Art der Kommunikation der Teammitglieder untereinander: Hier bietet sich an zu reflektieren, wie schutzvoll und wie transparent die Kommunikation im Team ist. Gibt es ungünstige Flurfunkdynamiken, verabredete Kommunikationswege im Konfliktfall, schutzvollen Umgang mit sensiblen Themen und Wissen?
– die Besonderheiten der Rollen: Hier stellt sich mir die Frage nach den unterschiedlichen Rollen in einer Kita und den dazu beschriebenen unterschiedlichen Kompetenz- und Aufgabenfeldern. Was gehört beispielsweise zu den klaren  Leitungsaufgaben, zur Rolle von Praktikant*innen usw. ?

Was ermöglichen uns diese differenzierten Reflektionen? Eine positive Teamkultur schafft ein Klima, eine Atmosphäre, in der alle Teammitglieder individuelle und doch berufsbezogene Entwicklungsmöglichkeiten finden. Kommunikation und Austausch gelingt respektvoll und wertschätzend. Das ist der Schlüssel zu Motivation und Leistungsbereitschaft, zu guter Arbeit!

Haltung und Umgang im Team untereinander
Geprägte Werte und Normen bilden das Wertefundament der Mitarbeiter. Zunächst bildet sich die jeweilige Haltung aus diesem Wertefundament und dem erlebten Bezugsrahmen der Mitarbeiter. Es braucht Kommunikation und eine produktive Fehlerkultur, um die sich daraus ergebenden individuellen Weltsichten als dauerhafte Motivation zu gestalten. Ein eigenes Autonomiebewusstsein und Selbstverständnis schafft die Grundlage.

Hier liebe ich das Seerosenmodell: Es zeigt auf wundervolle Weise wie unser beobachtbares Verhalten mit unseren Haltungen und Werten zusammenhängen, was gerade im Bereich Prävention wichtig ist. Denn unser Schamverhalten unsere Sprachfähigkeit und unsere Ausdrucksmöglichkeiten hierzu sind früh gelernt und wiederholen sich in unserer Arbeit mit den Kindern.

Konflikte und Konfliktbearbeitung im Team
Konflikte sind allgegenwärtig. Sie treten auf, wenn Interessen oder Zielsetzungen im Team oder zwischen Team und Leitung auseinanderdriften. Konfliktmanagement bedeutet gemeinsam Konfliktlösungsstrategien und Eskalationsstufen  zu kennen  und Wege aus den Konflikten zu entwickeln. Es bedeutet gleichwohl auch Abschied von der Rückwärtsgewandtheit und scheinbaren Unauflöslichkeit alter Konflikte und den Mut zur Klärung. Beim Thema Prävention ist es eng verbunden mit dem Potential der Abgrenzung. Wie gelingt es uns STOPP oder NEIN zu sagen. Wie ist die Akzeptanz zu einem begründeten STOPP oder NEIN im Team. Hier bietet sich ein Übungsfeld im Team um das NEIN der Kinder zum eigenen Schutz in das Verhalten im Team zu integrieren.
Grafik von Bernd Oestereich
Lizenz: Attribution-ShareAlike 4.0 International (CC BY-SA 4.0)

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