Mehr Zeit für die Familie

Tarifauseinandersetzung in der Metallbranche
Am letzten Wochenende bin ich bei der Wochenendlektüre auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) zur aktuellen Tarifauseinandersetzung in der Metallbranche gestoßen. Die größte Einzelgewerkschaft der Welt fordert für die vier Millionen Beschäftigten im Metallbereich neben sechs Prozent mehr Lohn das Wahlrecht auf eine Vier-Tage-Woche. Vor allem letzteres hat mich aufgrund seiner mehrfachen Bedeutung für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen angesprochen. Die Gewerkschaft reagiert mit dieser Forderung auf den Wunsch „viele(r) Bundesbürger, eine gewisse Zeit lang weniger zu arbeiten, um sich beispielsweise um die Kinder oder ältere Angehörige zu kümmern, ohne dafür auf jedewede Karriere zu verzichten.“ (SZ)

Mit dieser Forderung hat die Gewerkschaft  meiner Meinung nach ein wichtiges Thema aufgelegt, dass uns aus mehreren Gründen auch im Kita-Bereich interessieren sollte:

1. Familien entlasten
Aus vielen Kita höre ich, dass sich viele Eltern durch ihre berufliche Situation sehr unter Druck fühlen, vor allem wenn beide Elternteile Vollzeit berufstätig sind. Das führt dazu, dass vor allem kleinere Kinder täglich länger in der Kita sind, als ihnen gut tut, dass Kinder ihre Krankheiten nicht angemessen zuhause auskurieren können, halb krank in die Kita gebracht werden und andere Kinder und auch Mitarbeiter/innen anstecken, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern eingeschränkt ist, weil diese immer mehr unter Zeitdruck stehen usw.

2. Teilzeit aufwerten
Das von der Industriegewerkschaft (IG) Metall geforderte befristete Wahlrecht auf eine Vier-Tage-Woche wäre keine Teilzeitbeschäftigung mehr. Das heißt eine solche reduzierte Beschäftigungszeit würde der Wahrnehmung einer Leitungsfunktion nicht mehr im Wege stehen und damit die Karriereentwicklung nicht einschränken. Dazu fordert die IG Metall für den Fall, dass Kinder oder ältere Angehörige betreut werden, den Lohnausfall durch die reduzierte Arbeitszeit zumindest teilweise durch einen pauschalen Aufschlag von beispielweise 200.- € auszugleichen.

3. Mehr Gleichberechtigung ermöglichen
„Inzwischen wollen immer mehr Frauen beides: Kinder und einen vollwertigen Beruf. Und Väter versprechen, sich mehr um den Nachwuchs zu kümmern als Genrationen vor ihnen.“ (SZ) Das Recht auf eine Vier-Tage-Woche würde zu den aktuellen Wünschen beider Geschlechter passen und insgesamt die Chancengleichheit von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft verbessern.

4.  Fachkräftemangel reduzieren
Während die Arbeitgeber durch die Vier-Tage-Woche eine Verschärfung des Fachkräftemangels befürchten, sieht die IG-Metall in der größeren Flexibilität der Arbeitszeiten „die Chance, mehr weibliches Personal anzuziehen.“

Warum ist das für uns im Elementarbereich interessant, was in der Metallbranche gerade passiert? Die IG Metall hat als große und mächtige Gewerkschaft (über 2 Mio. Mitglieder) in der Vertretung der Interessen der Beschäftigten eine Vorreiterfunktion. Das war beispielsweise schon Mitte der 80er Jahre in der Auseinandersetzung um die 35 Stunden-Woche so. Und das wird mit Blick auf die heutige gesellschaftliche Situation vermutlich ähnlich sein. Ein erfolgreichen Abschluss mit mehr Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitszeit würde ähnliche Entwicklungen in anderen Branchen anstoßen. Perspektivisch würde sich die damit verbundene Entlastung der Eltern auch positiv auf die Situation in der Kita und die Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und den Eltern (Erziehungspartnerschaft) auswirken. Profitieren könnten von einer höheren Akzeptanz flexibler Arbeitszeiten perspektivisch auch die Beschäftigten in Kitas, von denen heute schon knapp zwei Drittel weniger als 38 Stunden in der Woche arbeiten. Hier ist dringender Handlungsbedarf. Darüber hinaus sollte man nicht übersehen, dass sich die IG Metall – wie andere Gewerkschaften auch – stark macht für einen quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung. Insofern ist sie in der Auseinandersetzung für bessere Arbeitsbedingungen in Kitas ein natürlicher Verbündeter. 

Ich werde die Entwicklung der tariflichen Auseinandersetzungen in der Metallbranche in den nächsten Wochen weiter im Blick behalten. Hier finden Sie den vollständigen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 5. Januar 2018.