Konzeptions- und Qualitätsentwicklung zusammen denken

Im Kontakt mit Tageseinrichtungen für Kinder und ihren Trägern stelle ich häufig fest, dass Konzep-tionsentwicklung und Qualitätsmanagement ganz unverbunden nebeneinander existieren: Da gibt es sowohl eine schriftliche Konzeption als auch ein Handbuch zum Qualitätsmanagement, ohne dass die damit verbundenen Grundsätze, Festlegungen und Regelungen inhaltlich und organisatorisch miteinander verknüpft sind.

Von der Sache her ist dies verwunderlich, geht es doch bei beiden Aufgabenbereichen um das Gleiche, nämlich darum, dass sich Leitungen, Teams und Träger darüber verständigen,

1.       was sie unter `guter´ Arbeit verstehen,
2.       wie sie sich und die pädagogische Arbeit organisieren müssen, um die Vorstellungen von `guter´ Arbeit auch umzusetzen,
3.       wie sie regelmäßig reflektieren, ob ihnen das auch gelingt, und
4.       wie sie sicherstellen, dass veränderte und neue Anforderungen an die bzw. in der Arbeit berücksichtigt werden.

Blick zurück
Wie kommt dieses Nebeneinander von Konzeptions- und Qualitätsentwicklung zustande? Um dies zu verstehen, ist ein kurzer Blick zurück hilfreich. Konzeptionsentwicklung und Qualitätsmanagement haben unterschiedliche Wurzeln und Traditionen. Schriftliche pädagogische Konzeptionen sind seit spätestens den 70er Jahren die Grundlage des pädagogischen Handelns in den Kitas und die Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis. Sie haben also mittlerweile eine sehr lange Tradition und in den Teams eine wichtige Funktion zur Verständigung über Grundsätze und Leitvorstellungen der Arbeit. Auf der Grundlage der konzeptionellen Verabredungen gestalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigenverantwortlich ihr pädagogisches Handeln mit den jeweiligen Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Familien etc.).

Die Geschichte des Qualitätsmanagements in der sozialen Arbeit ist wesentlich kürzer. Es wurde Mitte der 90er Jahre ein Thema in die Sozialwirtschaft, als der Gesetzgeber sozialen Einrichtungen vorschrieb, dass sie „Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung“ (SGB VIII § 45 Abs. 2) einführen sollten. Der Gesetzgeber erhoffte sich davon sowohl eine Verbesserung der fachlichen Qualität als auch eine größere betriebswirtschaftliche Effizienz. Da es bis dato aber kein Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft gab, bediente man sich zunächst der Konzepte aus dem industriellen Bereich, wo – insbesondere in der Automobilindustrie – seit den 80er Jahren gute Erfahrungen gemacht wurden. In Anlehnung an die DIN EN ISO 9000 wurden Qualitätskonzepte für soziale Dienstleistungen entwickelt und eingeführt, die mit Hilfe von Verfahrensstandardisierungen und Zertifizierungen die Erbringung sozialer Dienstleistungen verbessern sollten (Prozessoptimierung). Bei dieser Übertragung von Konzepten aus der industriellen Produktion auf soziale Dienstleistungen hatte man übersehen, dass der „Umgang mit Sachen“ anders funktioniert als der „Umgang mit Personen“ (Baethge: Die Arbeit in der Dienstleistungsgesellschaft, 2011). Die Folge war, dass das Qualitätsmanagement in vielen Einrichtungen, in denen es eingeführt wurde, eher ein `Fremdkörper´ blieb. (Joachim Merchel hat diese Zusammenhänge ausführlich beschrieben (2013): Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit). Eine Zusammenführung des Qualitätskonzepts mit konzeptionellen Aussagen und der täglichen pädagogischen Arbeit – also mit dem „wirklichen Kita-Leben“ – ist bisher die Ausnahme. 

Gesetze und Aufsichtsbehörden
Das oben angesprochene Nebeneinander von Konzeptions- und Qualitätsentwicklung zeigt sich nicht nur in den Einrichtungen, sondern auch in den Gesetzen: Der Gesetzgeber fordert im Zusammenhang mit der Erteilung der Betriebserlaubnis, „die Konzeption der Einrichtung vorzulegen, die auch Auskunft über Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung gibt“ (SGB VIII § 45 Abs. 2). Das Kinderbildungsgesetz in NRW (KiBiz) konkretisiert im § 11 diese gesetzliche Norm für Tageseinrichtungen für Kinder und ihre Träger und `addiert´ sozusagen Konzeptions- und Qualitätsentwicklung. Die Träger müssen…

„1. eine schriftliche Konzeption der Arbeit der Kindertageseinrichtung, in der Leitlinien für die Arbeit und ein eigenes Profil formuliert sind,
2. ein träger- oder einrichtungsspezifisches pädagogisches Konzept und
3. eine Darstellung über die Durchführung des Qualitätsentwicklungsprozesses…“ (ebd.) vorlegen.

In der Praxis der Landschaftsverbände in NRW erscheint das Verhältnis von Konzeptions- und Qualitätsentwicklung verwirrend unklar: Als Aufsichtsbehörde, die im Rahmen der Erteilung der Betriebserlaubnis die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen kontrollieren und sicherstellen soll, gibt sie derzeit eine „Arbeitshilfe zur Erstellung einer pädagogischen Konzeption“ heraus, in der die Qualitätssicherung als achter von acht Punkten erscheint (siehe linker Kasten); in ihren „Empfehlungen zur Qualitätsentwicklung“ wiederum werden die pädagogische Konzeption und die Qualitätsentwicklung gleichrangig als Unterpunkte von acht Qualitätsbereichen aufgeführt (siehe rechter Kasten). – Ist nun die Konzeptionsentwicklung Teil der Qualitätsentwicklung, oder eher umgekehrt oder sind sie gleichrangig? Und in welchem Verhältnis stehen diese zu den anderen Punkten, die sich ja weitgehend überschneiden?

Gliederungen der Arbeitshilfen „Konzeptions-“ und „Qualitätsentwicklung“ der Landesjugendämter Nordrhein-Westfalen*

* Beide Dokumente finden Sie hier: https://www.lwl.org/LWL/Jugend/Landesjugendamt/LJA/tagbe/Tagesbetr/tek_mat_konz/#anker-8

 Der Vergleich der von den Landesjugendämtern empfohlenen Gliederungen für die Konzeptions- und die Qualitätsentwicklung zeigt augenfällig: Bei beiden Entwicklungsprozessen geht es weitgehend um dieselben Inhalte bzw. pädagogischen Aufgaben – auch wenn sie in unterschiedlicher Reihenfolge und mit teilweise verschiedenen Worten aufgeschrieben sind. Da macht es doch Sinn, beides gemeinsam zu entwickeln und aufeinander zu beziehen … alles andere wäre doppelte Arbeit.

Integration von Konzeptions- und Qualitätsentwicklung
In den Kitas begegnet mir das eingangs erwähnte Nebeneinander von Konzeption und Qualitätsmanagement dann folgendermaßen: Da gibt es die pädagogische Konzeption – manchmal schon etwas älter, aber den Mitarbeiter/innen mit den Jahren vertraut und liebgeworden als Grundlage der eigenen Arbeit. Daneben steht mittlerweile das Qualitätshandbuch: ein Ordner voller Formblätter, der eher eine äußere Instanz verkörpert: ein Fremdkörper. Diese Doppelgleisigkeit ist weder sinnvoll noch nötig.

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, Konzeption und Qualitätsentwicklung zusammenzuführen, indem dieselben pädagogischen Aufgaben und Themen angesprochen werden. Wenn man beide Querschnittsbereiche so zusammenführt – „aus einem Guss“  – schafft man die Voraussetzung für einen integrierten und nachhaltigen Prozess, der die Konzeptions- und Qualitätsentwicklung zusammenführt. So findet man den „roten Faden“ für die fachliche Weiterentwicklung. 

Wir werden das Thema im Sommer bzw. Herbst wieder aufgreifen.