Digitale Medien in der Kita und Kinderschutz – ein Doppelpack!

Gastbeitrag von Sonja Billmann
Ich beschäftige mich derzeit viel mit dem Thema Medienpädagogik in der Kita. Kinderschutz und digitale Medien als Doppelpack sind dabei ein ganz besonderes Thema. Ich habe meine Gedanken dazu mal festgehalten: Medienkompetenz ist zu einer wichtigen Grundlage für gesellschaftliche und private Partizipation geworden. In der UN-Kinderrechtskonvention wird in Artikel 13 festgehalten: „Das Kind hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses recht schließt die Freiheit ein, ungeachtet der Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere vom Kind gewählte Mittel sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.“

Da heute viele Informationen und ein großer Teil unseres Wissens digital zur Verfügung steht bzw. Kommunikation- also Meinungsäußerung- digital geschieht, werden Mediennutzung und Medienbildung damit zum Kinderrecht. Dies ist beispielsweise in den Bildungsgrundsätzen für Kinder von 0 bis 10 Jahren des Landes NRW für den Bildungsbereich Medien (Seite 128ff.) hinterlegt. 

Lebenswelt der Kinder in Bezug auf die digitalen Medien
Kinder lernen durch Beobachtung. Sie erleben eine Erwachsenenwelt, in der es vor allem Menschen gibt, die mit sozialen Medien umgehen. Wischen, tippen, scrollen gehören nachahmend schon früh zum Repertoire der Kinder. Durch die aktuelle Zunahme der Homeoffice-Situationen in Familien hat sich das digitale Familienbild mit Blick auf die Erwerbsbiografien der Eltern verstärkt. Im eigenen Erleben von Kindern richtet sich das Familienleben von Kindern zunehmend auch an digitalen Medien aus. Der Anruf und damit die Unterbrechung in der Präsenzbeziehung, das Vertreiben von Wartezeiten mit Handy oder Tablet, das Zubettgehen nach der Abendsendung im Fernsehen – all das gehört zum Bezugsrahmen junger Kinder. Kinderschutz beginnt dort mit der Frage: Wie können junge Kinder geschützt werden vor den unterschiedlichen Formen digitaler Gewalt, denen sie ausgesetzt sind oder sich als Benutzer unbewusst aussetzen? Es ist unrealistisch, dass Kinder heute ohne Berührungspunkte zur Medienwelt aufwachsen. So stärken digitale Medien Beziehungen und Kommunikation über Entfernungen und schaffen neue Rituale. Dieses Spannungsfeld zwischen Beziehung und Kommunikation einerseits und den Formen digitaler Gewalt andererseits ist noch ein großes Lernfeld für Erzieher und auch für Eltern. 

Medienbiografie der Erzieher
Die digitale Welt etabliert und verändert sich rasant. Medienbiographisch bildet sich diese schnelle Entwicklung auch in den Kitateams ab. Dort bilden sich auch die unterschiedlichen Medienmilieus in der digitalen Lebenswelt ab. Die Reflektion des eigenen und in den unterschiedlichen Erzieher*innengenerationen sehr unterschiedlichen Medienhandelns in den Teams wird notwendig, wird hilfreich und ein guter Einstieg sein, um ein Repertoire und eine Haltung zum Thema Kinderschutz und Digitalisierung im pädagogischen Alltag der Kita zu finden.

Digitale Medien im Einsatz zur Kommunikation der Eltern untereinander, aber auch zwischen Kita und Eltern
Elternkommunikation und Kommunikation mit Eltern findet zunehmend neben dem Gespräch von Angesicht zu Angesicht auch digital statt. Digitale Medien können die Medienkommunikation unterstützen. WhatsApp Gruppen, Messenger und andere Anbieter, die zunächst für die private Kommunikation geschaffen wurden  bieten einerseits  Möglichkeiten – das ist jetzt gerade in Zeiten der Coronanotbetreuung deutlich geworden, z.B. digitale Entwicklungsgespräche – und bergen andererseits das Risiko der Verletzung von Privatsphäre und Persönlichkeitsrechten. Deswegen sollten spezielle Kommunikationsplattformen genutzt werden, die abgesicherte professionelle Möglichkeiten des Datenschutzes enthalten. Hier ist neben weiteren Anbietern beispielsweise KidsFox oder die Kindy.app zu nennen.

Digitale Bildungsdokumentation
Beobachten und Dokumentieren der Entwicklung der Kinder sind zentral für professionelles Handeln der Fachkräfte in der Kita. Dies geschieht zunehmend digital. Digitale Beobachtungsbögen sowie Portfolios werden immer häufiger eingesetzt. Hierbei erleben die Kinder möglicherweise eine neue und anregende Nutzungsart von Medien, die sie aus ihrem häuslichen Umfeld nicht kennen.  Wenn Kinder beispielsweise fürs Portfolio fotografiert werden, können sich Erzieher*innen mit dem Kind darüber austauschen, es bei der Auswahl der Bilder für die Entwicklungsdokumentation beteiligen und die Kinder zu dem, was auf den Fotos zu sehen ist, befragen.

Digitale Resilienz
Schon im Begriff digitale Resilienz wird deutlich, dass der Umgang mit digitalen Medien für Kinder längst zum prägenden Alltag gehört und Auswirkungen auf deren Stabilität hat. In Teamtagen und vertiefenden Weiterbildungen sollte es darum gehen, die schützenden digitalen Elemente zu identifizieren und zu integrieren. Es sollte weniger um einen Digitalhype einerseits oder digitale Abstinenz anderseits gehen – stattdessen sollte der pädagogische Wert einer schutzvollen Mediennutzung in den Mittelpunkten rücken. Dies sichert Qualität.

Patentrezepte gibt es nicht
Neue Technologien setzen sich immer kurzfristiger durch und prägen immer mehr unseren privaten und beruflichen Alltag, unser Freizeitverhalten, unsere Lernmethoden und unser Familienleben. .
Das bedeutet: Kinderschutz ist eine Dauerherausforderung und beständig neu zu hinterfragen. Es gibt zahlreiche Weiterbildungen und Fachlektüre für den Einsatz von digitalen Medien im pädagogischen Bereich. Meine Lieblingslektüre bzw. -filme hierzu sind derzeit
– Susanne Roboom: Mit Medien kompetent und kreativ umgehen
– Clemes Kaesler: Digitale Kompetenz für Erzieherinnen und Erzieher sowie Kita – Leitungen Band 1 Office
– Marion Lepold / Monika Ullmann: Digitale Medien in der Kita
– Susanne Richter / Anja Hansmann: Aufwachsen in der Medienwelt: Kurzfilme zur Medienbildung in Kita und Kindertagespflege
Über diese konkreten medienpädagogischen Ansätze hinaus, geht es darum, eine angemessene offene, begleitende und schutzvolle Haltung zur Medienwelt von Kindern und Familien zu entwickeln. Medienkompetenz präventiv entwickeln, bedeutet Kinder kompetent einführen und schützen und somit Kinderrechte beachten.

Und was meinen Sie dazu?

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