Anforderungen an Konzepte für die Kita-Qualität

Qualität gemeinsam entwickeln
Auf unserer Praxistagung „Qualität lebendig machen“ am 17.11.2017 in Bochum gab es neben den Impulswerkstätten zwei fachliche Inputs mit einigen grundsätzlichen Überlegungen zum Thema „Qualitätsentwicklung in Kitas“, an denen wir uns orientieren und die wir mit dem pragma-indikatoren-modell® umsetzen. Beide Inputs habe ich vorgetragen, den zweiten stellvertretend für meine leider erkrankte Kollegin und Frau Gabriele Dahle. Die zentralen Aussagen dieser beiden Vorträge mit den Titeln „Anforderungen an Konzepte für die Kita-Qualität“ und „Qualität gemeinsam entwickeln“ fasse ich im Folgenden in sechs Punkten thesenartig zusammen:

1. Was erwartet der Gesetzgeber hinsichtlich der Qualitätsentwicklung von Kindertageseinrichtungen?
2. Was zeichnet  `gute Arbeit´ in einer Kindertageseinrichtung aus und wie kommt diese zustande?
3. Wie werden die Anforderungen an `gute Arbeit´ im pragma-indikatoren-modell® beschrieben und dargestellt werden?
4. Wie unterstützt das pragma-indikatoren-modell® das System Kita dabei, das, was als `gute Arbeit´ beschrieben und dargestellt ist, umzusetzen, und die Qualität der pädagogischen Arbeit zu sichern, zu reflektieren und weiterzuentwickeln?
5. Was zeichnet das pragma-indikatoren-modell® aus und warum setzt dies den Schwerpunkt auf die interne Qualitätsentwicklung?
6. Nachbemerkungen: Grund- und Aufbauvariante des pragma-indikatoren-modells®, Qualitäts- und Konzeptionsentwicklung

Ad 1. Was erwartet der Gesetzgeber hinsichtlich der Qualitätsentwicklung von Kindertageseinrichtungen?
Kindertageseinrichtungen sind Einrichtungen der Jugendhilfe. Die gesetzlichen Grundlagen für Einrichtungen der Jugendhilfe finden sich im Sozialgesetzbuch VIII. In diesem Gesetz werden auch die Anforderungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Qualitätsentwicklung formuliert. Die Qualitätsentwicklung bezieht sich auf die pädagogische Arbeit einer Einrichtung. Paragraph 45 knüpft die „Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung“ an den Nachweis von „Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung  und -sicherung“ (Abs. 3). Die Paragraphen 79 und 79a konkretisieren dies. Es geht um eine „kontinuierliche Qualitätsentwicklung“ (§ 79 Abs. 2) und um „Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung“ (§ 79a).

Diese vom Gesetzgeber formulierten Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem in Kindertageseinrichtungen lassen sich in drei größere Aufgabenbereiche für die Fachkräfte einer Kita, deren Leitung und deren Träger konkretisieren. Die Akteure des `Systems Kita´ müssen sich darüber verständigen,
– was sie unter `guter Arbeit´ verstehen und dies auch verschriftlichen („Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität“ der Arbeit);
– wie sie sicherstellen, dass sie das, was sie unter `guter Arbeit´ verstehen, in der täglichen Arbeit umsetzen („geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung“) und
– wie sie sich verändernde und neue Anforderungen aufgrund veränderter Erwartungen, neuer fachlicher Erkenntnisse und gesetzlicher Änderungen in die Arbeit integrieren („kontinuierliche Qualitätsentwicklung“).

Vom Grundsatz her geht es beim Qualitätsmanagement also darum, ein handhabbares Managementkonzept zu entwickeln und umzusetzen, dass die Qualität der pädagogischen Arbeit beschreibt, überprüfbar macht und deren Umsetzung unterstützt. Ein solches Managementkonzept muss nach meiner Erfahrung zum jeweiligen Arbeitsfeld passen und auf dieses zugeschnitten werden. Eine Voraussetzung dafür ist sich klar zu machen, was die Qualität der pädagogischen Arbeit einer Kita ausmacht.

Ad 2. Was zeichnet `gute Arbeit´ in einer Kindertageseinrichtung aus und wie kommt diese zustande?
In einer Kita wird die Dienstleistung Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern erbracht. Das nordrhein-westfälische Kinderbildungsgesetz (KiBiz) konkretisiert dies: Es geht um die „Förderung jedes einzelnen Kindes“ (§ 13b) und die Zusammenarbeit mit den Eltern (§ 9 Erziehungspartnerschaft). Die Qualität dieser Dienstleistung liegt in deren passgenauer, individueller und situativer Ausrichtung. Diese ist nötig, weil jedes Kind und seine Familie anders sind. Nehmen wir beispielsweise die Eingewöhnung. Deren Verlauf unterscheidet sich von Kind zu Kind. Mal geht es schneller, mal dauert es länger als geplant. Das jeweilige Kind gibt die Geschwindigkeit vor, bestimmt den konkreten Verlauf, entwickelt unterschiedliche Rituale des morgendlichen Ankommens, der Verabschiedung von den Eltern. Manche Kinder wechseln die Bezugserzieherin usw. Auch die Eltern verhalten sich unterschiedlich, bringen ihre jeweils individuellen Interessen, Erwartungen und Sorgen mit. Hierauf gilt es einzugehen. `Gute Arbeit´ in der Kita gibt es nicht `von der Stange´, sie ist nicht standardisierbar. Dies betrifft natürlich nicht nur die Eingewöhnungsphase sondern die gesamte Kindergartenzeit. Jedes Kind entwickelt sich anders, hat unterschiedliche Interessen, Spiel- und Lerngewohnheiten und benötigt eine individuelle Begleitung und Unterstützung. Und auch die Zusammenarbeit mit den Eltern sollte sich an deren familiärer Situation, an deren Erwartungen und Möglichkeiten ausrichten. Beides macht die Qualität der Dienstleistung Kita aus.

Diese `gute Arbeit´ wird Tag für Tag von den Fachkräften im Kontakt und im gemeinsamen Tun mit den Kindern sowie der Zusammenarbeit mit den Eltern hergestellt. Die Qualität dieser Dienstleistung ist neben der Motivation unmittelbar abhängig von zwei persönlichen Kompetenzbereichen jeder einzelnen Fachkraft. Dies ist zum einen deren Beziehungsfähigkeit, das heißt die Fähigkeit mit einer Vielzahl von Kindern und Eltern in Kontakt zu treten, Vertrauen zu den einzelnen Personen aufzubauen und verlässliche Beziehungen zu gestalten. Und es geht zum anderen um die Integration von Wissen und Erfahrung. Damit ist die Anwendung von theoretischem Wissen in der täglichen pädagogischen Arbeit gemeint, beispielweise Wissen über Bindung, das Spielverhalten von Kindern, deren Bildungs- und Lernprozesse, aber auch die Situation von Familien, die Erwartungen von Eltern usw. Beziehungsfähigkeit und die Integration von Wissen und Erfahrung machen das professionelle Handeln von Fachkräften im Elementarbereich aus. So entsteht `gute Arbeit´.

Ad 3. Wie werden die Anforderungen an `gute Arbeit´ im pragma-indikatoren-modell® beschrieben und dargestellt werden?
Die Beschreibung und Darstellung `guter Arbeit´ in einem Qualitätsmanagementsystem sollte berücksichtigen, dass die Qualität von den Fachkräften Tag für Tag hergestellt wird und dass die Leistungserbringung passgenau, individuell und situativ auf das einzelne Kind und seine Eltern ausgerichtet wird. Die Integration dieser beiden Aspekte in das Qualitätsmanagementsystem ist nach meiner Erfahrung die Voraussetzung dafür, dass das Qualitätsmanagementsystem von den Fachkräften als praxisnah erlebt und auch angewendet wird. Das pragma-indikatoren-modell® trägt dem in viererlei Hinsicht Rechnung:

A. Anschlussfähigkeit an das pädagogische Handeln durch Kernprozesse und Indikatoren: Systematik `guter Arbeit´
Die Systematik der Darstellung `guter Arbeit´ orientiert sich am täglichen pädagogischen Handeln  der Fachkräfte.  Das pragma-indikatoren-modell® unterscheidet vier pädagogische Kernprozesse, denen jeweils Indikatoren zugeordnet werden. Jeder Indikator steht für eine wichtige pädagogische Aufgabe, mit der die Fachkräfte den jeweiligen Kernprozess umsetzen.

Vier pädagogische Kernprozesse:
Kernprozess 1: Entwicklungsbegleitung des einzelnen Kindes
Kernprozess 2: Bildung
Kernprozess 3: Zusammenarbeit mit den Eltern
Kernprozess 4: Zusammenarbeit mit Schule und anderen Partnern

Beispielhaft einige der dem Kernprozess 1 zugeordneten Indikatoren:
Indikator 1:Wir ermöglichen eine zeitlich gestaffelte und individuell angepasste Eingewöhnung jedes Kindes.
Indikator 2:Wir schaffen  einen Rahmen, der den Kindern Sicherheit und Orientierung gibt.
Indikator 3:Wir berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse der U3-Kinder.
Indikator 4:Wir beobachten jedes Kind regelmäßig und dokumentieren seine Entwicklung.
Indikator 5: …

Jedem dieser Indikatoren werden eine größere Anzahl von Qualitätskriterien für die jeweilige pädagogische Aufgabe zugeordnet (siehe B). Insgesamt beläuft sich die Anzahl der Indikatoren für einen Träger und seine Kitas auf 20 bis 25. Dabei gibt es für alle Träger, die mit dem pragma-indikatoren-modell® arbeiten, verpflichtende Indikatoren und darüber hinaus optionale, die für besondere fachliche Schwerpunkte oder das Profil eines Trägers bzw. einer Einrichtungen stehen (siehe hierzu D).

B. Gestaltungsspielraum für die Fachkraft durch Qualitätskriterien: Darstellung `guter Arbeit´
Da die Dienstleistung Kita nicht standardisierbar ist, haben wir mit dem pragma-indikatoren-modell® für die Darstellung `guter Arbeit´ eine Form gewählt, die den Fachkräften den Gestaltungsspielraum einräumt, der erforderlich ist, um die pädagogische Arbeit an der Individualität jedes einzelnen Kindes und seiner Eltern auszurichten. Dabei werden jedem Indikator Qualitätskriterien auf 5 Wertstufen zugeordnet. Hier als Beispiel der Indikator zur Eingewöhnung, der zum pädagogischen Kernprozess 1 gehört:

Indikator 1.1:  Wir ermöglichen eine zeitlich gestaffelte und individuell angepasste Eingewöhnung jedes Kindes.

 

Wert

Qualitätskriterien

Indikator wird gar nicht

erfüllt

0

Es findet eine Eingewöhnung statt. Wir informieren die Eltern* darüber, dass sie sich Zeit für die Eingewöhnung nehmen müssen.

Indikator wird teilweise

erfüllt

1

Es findet eine Eingewöhnung statt. Wir informieren die Eltern* darüber, dass sie sich Zeit für die Eingewöhnung nehmen müssen. Wir stellen den Eltern unsere Einrichtung, unsere Konzeption und unser Eingewöhnungskonzept** auf einer Elternveranstaltung vor.

 

 

 

Indikator wird

erfüllt

 

 

 

2

Es findet eine Eingewöhnung statt. Wir informieren die Eltern* darüber, dass sie sich Zeit für die Eingewöhnung nehmen müssen. Wir stellen den Eltern unsere Einrichtung, Konzeption und unser Eingewöhnungskonzept** auf einer Elternveranstaltung vor. Wir besprechen den zeitlichen Ablauf der Eingewöhnung, die Rolle der Eltern bei der Eingewöhnung, die Anforderungen aus Sicht der Familie und die Bedeutung der Bezugserzieher/In mit den Eltern. Wir reflektieren den Verlauf der Eingewöhnung und reagieren auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes. Wir sind während der Eingewöhnung im ständigen Austausch mit den Eltern und bauen eine vertrauensvolle Beziehung auf.

 

 

 

 

Indikator wird gut

erfüllt

 

 

 

 

3

Es findet eine Eingewöhnung statt. Wir informieren die Eltern* darüber, dass sie sich Zeit für die Eingewöhnung nehmen müssen. Wir stellen den Eltern unsere Einrichtung, Konzeption und unser Eingewöhnungskonzept** auf einer Elternveranstaltung vor. Wir besprechen den zeitlichen Ablauf der Eingewöhnung, die Rolle der Eltern bei der Eingewöhnung, die Anforderungen aus Sicht der Familie und die Bedeutung der Bezugserzieher/In mit den Eltern. Dabei kommen wir anhand eines Anamnesebogens*** ins Gespräch über die Entwicklung und die Persönlichkeit des Kindes. Hausbesuche führen wir zu zweit durch. Wir sind während der Eingewöhnung im ständigen Austausch mit den Eltern und bauen eine vertrauensvolle Beziehung auf. Wir reflektieren in internen Fallbesprechungen den Verlauf der Eingewöhnung und reagieren auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes. Das Kind hat die Möglichkeit die Bezugserzieherin zu wechseln. Jedes Kind bringt ein von den Eltern gestaltetes Ich-Buch, das die beiden Lebenswelten des Kindes miteinander verbindet, mit in die Kita.

 

 

 

 

 

Indikator wird außerordentlich gut

erfüllt

 

 

 

 

 

4

Es findet eine Eingewöhnung statt. Wir informieren die Eltern* darüber, dass sie sich Zeit für die Eingewöhnung nehmen müssen. Wir stellen den Eltern unsere Einrichtung, unsere Konzeption und unser Eingewöhnungskonzept** auf einer Elternveranstaltung vor. Wir besprechen den zeitlichen Ablauf der Eingewöhnung, die Rolle der Eltern bei der Eingewöhnung, die Anforderungen aus Sicht der Familie und die Bedeutung der Bezugserzieher/In mit den Eltern. Diese führen wir zu zweit durch. Dabei kommen wir anhand eines Anamnesebogens*** ins Gespräch über die Entwicklung und die Persönlichkeit des Kindes. Wir sind während der Eingewöhnung im ständigen Austausch mit den Eltern und bauen eine vertrauensvolle Beziehung auf. Wir reflektieren in internen Fallbesprechungen den Verlauf der Eingewöhnung und reagieren auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes. Das Kind hat die Möglichkeit die Bezugserzieherin zu wechseln. Jedes Kind bringt ein von den Eltern gestaltetes Ich-Buch, das die beiden Lebenswelten des Kindes miteinander verbindet, mit in die Kita. Wir dokumentieren den Verlauf der Eingewöhnung. Nach der Beendigung der Eingewöhnung führen wir mit den Eltern ein Reflexionsgespräch. Wir reflektieren unser Eingewöhnungskonzept regelmäßig und entwickeln dies weiter.

* = Mit den Eltern sind alle Erziehungsberechtigten gemeint.
** = Anlage: Eingewöhnungskonzept
*** = Anlage Anamnesebogen

Die den einzelnen Wertstufen zugeordneten Qualitätskriterien (zum Beispiel Information der Eltern (Wert 0), Eingewöhnungskonzept, Elternveranstaltung (Wert 1) etc.) geben den Fachkräfte Anforderungen an die Gestaltung der pädagogischen Aufgabe vor, überlassen ihnen aber die Entscheidung darüber, welches Vorgehen und welche Methoden sie wählen, um diese umzusetzen. In der Regel gibt es immer mehrere Möglichkeiten ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und es stärkt die Selbstverantwortung der Fachkräfte, wenn sie den für ihre Gruppe oder Einrichtung passenden und stimmigen Weg selber aussuchen, umsetzen und bei Bedarf natürlich auch verändern und anpassen.

Die Indikatoren werden so angelegt, dass Wert 2 den aktuellen fachlichen Anforderungen an die Umsetzung des jeweiligen Indikators entspricht. Die Qualitätskriterien in den Werten 3 und 4 gehen darüber hinaus. Die Qualitätskriterien werden teilweise auch auf den jeweiligen Träger und seine Einrichtungen zugeschnitten. So gibt es beispielsweise Einrichtungen, die im Zusammenhang mit der Eingewöhnung mit Hausbesuchen gute Erfahrungen gemacht haben. Wiederum andere Einrichtungen lehnen Hausbesuche zu diesem frühen Zeitpunkt oder auch grundsätzlich ab, weil sie Sorge haben, dass diese von Eltern als Kontrolle erlebt werden. Hier gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, den Trägern und Einrichtungen diese Entscheidung für oder gegen ein entsprechendes Qualitätskriterium nicht zu überlassen. Qualitätskriterien, die bewährte, träger- bzw. einrichtungstypische und gute Praxis abbilden, stärken die Identifikation der Fachkräfte mit dem QM.

C. Abbildung von Unterschieden und Entwicklungen
Darüber hinaus erlaubt die Darstellung `guter Arbeit´ anhand von Indikatoren und Qualitätskriterien sowohl die Abbildung von Unterschieden in der Qualität zwischen Gruppen und Einrichtungen als auch die die Veränderung der Qualität im Zeitverlauf. Es ist die Regel, dass sich die Gruppen einer Kita bzw. die Einrichtungen eines Trägers nicht dauerhaft im Gleichschritt bewegen. Ebenso wie einzelne Qualitätskriterien von den Fachkräften unterschiedlich umgesetzt werden (siehe B), unterscheidet sich häufig auch das Qualitätsniveau von Gruppen und Einrichtungen. Diese Unterschiede können mit dem pragma-indikatoren-modell® abgebildet und nachvollzogen werden, ebenso wenn sich die Qualität durch Verabredungen im Team, Fortbildungsmaßnahmen, einzelne Projekte oder andere Maßnahmen verbessert oder zum Beispiel durch den Weggang erfahrener Fachkräfte auch verschlechtert hat. So bildet das QM den jeweiligen IST-Stand der Arbeit, aber auch Entwicklungen und Veränderungen (siehe ausführlich hierzu ad 4).

D. Ausrichtung auf den jeweiligen Träger und seine Kitas
Das pragma-indikatoren-modell® nimmt fachliche Schwerpunkte oder Profile von Trägern und Einrichtungen in das Qualitätsmanagement auf. Dadurch erhöhen sich in der Regel die Akzeptanz und die Wirksamkeit des QMs. Wenn in einer Kita beispielweise intensiv mit Tieren gearbeitet wird, bietet  sich ein zusätzlicher Indikator an: Wir machen tiergestützte Pädagogik! Oder eine Kita hat einen Schwerpunkt in der Naturforschung oder arbeitet mit Fachkräften, die als native Speaker mit den Kindern in einer andern Sprache als Deutsch reden. Der entsprechende Indikator könnte lauten: Wir sind bilingual!

Die Darstellung `guter Arbeit´ in Form der Kernprozesse, Indikatoren und Qualitätskriterien wird in einem Qualitätshandbuch zusammengefasst. An der Erarbeitung des QM-Handbuchs sind in der Regel die Leitungen, die Fachkräfte und der Träger beteiligt.

Ad 4. Wie unterstützt das pragma-indikatoren-modell® das System Kita dabei, das, was als `gute Arbeit´ beschrieben und dargestellt ist, umzusetzen, und die Qualität der pädagogischen Arbeit zu sichern, zu reflektieren und weiterzuentwickeln?
Wenn die `gute Arbeit´ beschrieben ist, gilt es diese umzusetzen. Dies ist eine gemeinsame Aufgabe aller am System Kita beteiligten Akteure: Fachkräfte, Leitung und Träger. Deren unterschiedliche Aufgaben und Rollen im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement und deren Zusammenarbeit werden im Folgenden erläutert. Der Schwerpunkt des pragma-indikatoren-modells® liegt in der internen Qualitätsentwicklung. Dabei hat die Einbindung und Beteiligung der Fachkräfte als derjenigen, die Tag für Tag die Dienstleistung Kita herstellen, eine hervorgehobene Bedeutung. Das pragma-indikatoren-modell® ermöglicht ihnen eine aktive Rolle und macht die Qualitätsentwicklung zu einer Teamaufgabe. Wie mit unserem Qualitätskonzept gearbeitet wird, stelle ich anhand des Qualitätsentwicklungskreislaufs, der Verankerung des QMs im Kita-Alltag und der Zusammenarbeit im System Kita dar.

A. Qualitätsentwicklungskreislauf
Wenn die Erarbeitung des QM-Handbuchs durch eine Projektgruppe abgeschlossen ist, alle Fachkräfte in das System eingeführt sind und über ihr eigenes QM-Handbuch verfügen, beginnt die Arbeit mit dem pragma-indikatoren-modell®. Diese orientiert sich am Qualitätsentwicklungskreislauf (siehe Schaubild). Dieser dauert circa ein Jahr und besteht aus fünf Schritten. Zu Beginn nimmt jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter anhand der Indikatoren und der den fünf Wertstufen zugeordneten  Qualitätskriterien der vier pädagogischen Kernprozesse eine Qualitätseinschätzung (Bewertung) der Arbeit Ihrer Kita vor. Diese Bewertung wird effizient mit einer webbasierten Datenbank vorgenommen. Sie kann anonym oder offen durchgeführt werden. Aus den einzelnen Bewertungen der Fachkräfte werden Durchschnittswerte zu jedem Indikator für die gesamte Einrichtung gebildet. So wird der IST-Stand der pädagogischen Arbeit in einem Stärken-Schwächen-Profil abgebildet (siehe die beispielhafte Übersicht).

Anhand dieser Durchschnittswerte  kann man sich schnell einen Überblick über die pädagogische Arbeit einer Einrichtung verschaffen und nachvollziehen, wo diese gut aufgestellt ist und wo gegebenenfalls Handlungsbedarf ist. Darüber hinaus kann man anhand der Differenzen (Zahlen in der letzten Spalte) auch erkennen, welche der Indikatoren von den Fachkräften einheitlich und welche sehr unterschiedlich bewertet worden sind. Die Ergebnisse der Qualitätseinschätzung bespricht die Leitung mit ihrem Team. Dabei geht es einmal darum, sich über die Ergebnisse auszutauschen, größere Differenzen zu besprechen und (neue) gemeinsame Sichtweisen zu entwickeln und sich auf Entwicklungsvorhaben zu verständigen. Dies sind kleinere oder auch größere Projekte zur Verbesserung und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit. Hierfür bieten sich in  besonderem Maße die Indikatoren mit einer niedrigen Bewertung an. Im obigen Beispiel sind dies die Indikatoren zur Selbst- und Mitbestimmung der Kinder (Indikator 2.6 mit dem Durchschnittswert 0,82), zur Bildungsdokumentation (1.7 mit 1,09) und zur Elternbildung (3.2 mit 1,27). Die Entwicklungsvorhaben, auf die sich ein Einrichtungsteam (gg.falls auch unter Einbeziehung des Trägers) verständigt, werden dann im weiteren Verlauf des Kindergartenjahres umgesetzt und irgendwann abgeschlossen. Nach ca. 1 Jahr erfolgt dann die nächste Bewertung und der Qualitätsentwicklungskreislauf beginnt von vorne.

B. Verankerung des QM im Kita-Alltag
Qualitätsmanagement sollte man nicht reduzieren auf die jährlich durchzuführende Qualitätseinschätzung (Bewertung). Es geht darum, die in den Indikatoren und mit den Qualitätskriterien vorgegebenen Anforderungen an die pädagogische Arbeit im Kita-Alltag umzusetzen.  Dafür bietet das pragma-indikatoren-modell® folgende Anknüpfungspunkte:
– Die Umsetzung der Entwicklungsvorhaben wird in den Teamsitzungen kontinuierlich begleitet und reflektiert. Dies ist vor allem bei komplexeren Entwicklungsvorhaben, für die den Austausch und die Meinungsbildung im Team sowie die Entwicklung einer geteilten pädagogischen Praxis wichtig.
– Da die Qualitätskriterien in den Indikatoren Anforderungen an die pädagogische Arbeit vorgeben, müssen sich die Teams darüber verständigen, wie sie diese umsetzen. Dies wird man bei anspruchsvolleren Aufgaben sinnvollerweise verschriftlichen. Die jeweiligen Ausarbeitungen, zum Beispiel ein Eingewöhnungskonzept, die Verabredungen zur Mit- und Selbstbestimmung der Kinder, Vorgaben für die Durchführung der Elterngespräche etc. werden als Anlage hinter den jeweiligen Indikator abgeheftet. So wird das QM-Handbuch zunehmend ein Arbeitshandbuch für jede Fachkraft. 
– Bei der Planung, der Auswertung und Reflexion, aber auch der Neugestaltung unterschiedlichster Aktivitäten (zum Beispiel Sommerfest, Elternabend, Eingewöhnung) bietet es sich an, den Bezug zum QM, zu einzelnen Indikatoren und Qualitätskriterien herzustellen. Welche Qualitätskriterien setzen wir um? Welche nicht und warum? Was ist beispielsweise gut / nicht so gut gelaufen? Was wollen wir verändern? Haben sich die Anforderungen, beispielsweise die Erwartungen von Eltern geändert? Usw.
– Das Qualitätsmanagement kann und sollte für  die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter genutzt werden. Diese können sich mit Hilfe des QM-Ordners einen (ersten) Überblick über die pädagogische Arbeit in ihrer neuen Einrichtungen verschaffen. Anhand einzelner Indikatoren und Qualitätskriterien können konkrete Fragen der pädagogischen Arbeit, der Umsetzung einzelner Qualitätskriterien etc. geklärt werden usw.

Bei der Qualitätsentwicklung kommt der Leitung der Einrichtung die Schlüsselrolle zu. Es ist ihre Aufgabe die Umsetzung der Entwicklungsvorhaben abzusichern, QM regelmäßig zum Thema zu machen, immer wieder Verbindungen zwischen QM und der pädagogischen Arbeit herzustellen, für die nötige Reflexionszeit zu sorgen usw.

C. Zusammenarbeit im System Kita
Auch wenn der Träger in der Regel nicht direkt an der Leistungserbringung beteiligt ist, verantwortet er die Qualität der pädagogischen Arbeit seiner Einrichtungen.  Der Gesetzgeber fordert auch von ihm „geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung“ (§ 79a SGB VIII). Das pragma-indikatoren-modell® bietet ihm durch die jährlichen Qualitätseinschätzungen den systematischen Überblick über die Qualität der pädagogischen Arbeit in jeder seiner Einrichtungen. Er kann sehen, wo seine Einrichtungen stehen, wo diese gut aufgestellt sind und wo es Handlungsbedarf gibt. Er bekommt beispielsweise Anhaltspunkte für
–  die passgenaue Unterstützung und Begleitung einzelner Einrichtungen;
–  sinnvolle einrichtungsübergreifende Entwicklungsvorhaben beispielweise zu Indikatoren, wo es bei allen oder zumindest mehreren Einrichtungen Handlungsbedarf gibt;
–  für die Planung und Umsetzung übergreifender fachlicher Schwerpunkte und die Entwicklung eines Trägerprofils;
– die Fortbildungsplanung, aber auch mögliche Wirkungen von laufenden oder schon abgeschlossenen Qualifizierungs- und anderen Unterstützungsmaßnahmen;
– die zu behandelnden Themen im Qualitätszirkel, die Zusammenarbeit der Einrichtungen und die Möglichkeiten des Lernens voneinander. So  liegt es nahe, dass Einrichtungen, die bei einem bestimmten Indikator eine niedrige Bewertung haben von Einrichtungen lernen, die bei diesem Indikator deutlich besser sind. 

Durch die Umsetzung dieser Aufgaben kann der Träger seiner Verantwortung für die Qualität seiner Einrichtungen nachkommen und eine aktive und unterstützende Rolle in Qualitätsentwicklung der pädagogischen Arbeit wahrnehmen. Neben dem Einfluss auf die Prozessqualität gestaltet der Träger auch ganz wesentlich die Strukturqualität (Rahmenbedingungen) der Arbeit in den Kitas. Auch wenn er aufgrund der landesgesetzlichen Vorgaben die Personalschlüssel und den Umfang der Leitungsfreistellung nur bedingt beeinflussen kann, kann er für die nötige Zeit für die Qualitätsentwicklung sorgen. Diese ist ohne Kommunikation und Reflexion nicht zu haben. Qualitätsarbeit braucht Zeit, angemessene Verfügungszeiten, Teamsitzungen und Konzeptionstage. Zu den Rahmenbedingungen  gehören auch die erforderlichen Mittel für Fachmaterial, Fortbildungen, begleitete Inhouseaktivitäten, Fallberatung und Supervision etc. Auch hier ist der Träger gefordert.

Ad 5. Was zeichnet das pragma-indikatoren-modell® aus und warum setzt dies den Schwerpunkt auf die interne Qualitätsentwicklung?
`Qualität kann man nicht von außen in eine Kita hereinprüfen!´ Dies hat damit zu tun, was die Qualität der pädagogischen Arbeit in Kitas ausmacht und wie diese zustande kommt (siehe Ad 2). `Gute Arbeit´ wird von jeder einzelnen Fachkraft und in der Zusammenarbeit der Fachkräfte Tag für Tag passgenau, individuell und situativ ausgerichtet an den einzelnen Kindern und für ihre Familien erbracht. Diese Dienstleistung ist nicht standardisierbar. Ihre Qualität hängt entscheidend von der Motivation, der Kompetenz und der Erfahrung der einzelnen Fachkraft ab. Deswegen legt das pragma-indikatoren-modell® den Schwerpunkt auf die interne Qualitätsentwicklung und macht die Fachkräfte zu deren Akteuren. Diese werden sich ein QM nur dann dauerhaft zu eigen machen und in der täglichen Arbeit umsetzen, wenn sie dieses als hilfreich für ihre Arbeit erleben und an den Bewertungs-, Kommunikations- und Reflexionsprozessen beteiligt sind. Die dafür nötige Identifikation und Motivation kann durch externe Qualitätsüberprüfungen (Audit, Zertifizierung) nicht dauerhaft erzeugt werden. Prüfungen liegt die Logik zugrunde, sich zum Prüfungszeitpunkt in einem möglichst guten Licht darzustellen. Qualitätsentwicklung ist auf Dauer angelegt und  lebt von kontinuierlichen Lernprozessen, zu denen auch Fehler gehören. Deswegen halte ich sie für die Qualitätsentwicklung in Kitas nicht für zwingend erforderlich. 

Wenn Träger sich trotzdem für externe Qualitätsüberprüfungen entscheiden und / oder ihnen diese durch den Gesetzgeber, Auftraggeber, Kooperationspartner oder vorgesetzte und weisungsbefugte Instanzen und Gremien vorgeschrieben werden, werden die Träger bzw. deren Einrichtungen diese umso leichter und erfolgreicher bestehen und möglicherweise sogar ein Nutzen für die interne Qualitätsentwicklung daraus ziehen, wenn in den Einrichtungen ein handhabbares, systematisches sowie kommunikativ und reflexiv ausgerichtetes Qualitätskonzept implementiert ist, das von den Leitungen und ihren Teams umgesetzt und gelebt wird.

Ad 6. Nachbemerkungen: Grund- und Aufbauvariante des pragma-indikatoren-modells®, Qualitäts- und Konzeptionsentwicklung
Die Grundvariante des pragma-indikatoren-modells® umfasst die vier pädagogischen Kernprozesse und die Implementierung des Qualitätsentwicklungskreislaufes. Damit erfüllt ein Kita-Träger aktuell (2017) die bundes- und landesgesetzlichen Anforderungen an das Qualitätsmanagement für Tageseinrichtungen für Kinder (mit Ausnahme des Landes Berlin, dass Kitas verpflichtet, sich alle fünf Jahre einer externen Evaluation hinsichtlich der Umsetzung des Berliner Bildungsprogramms zu unterziehen). Bei der Aufbauvariante des pragma-indikatoren-modells® wird das Qualitätsmanagement um die sogenannten Führungs- und Zusatzprozesse erweitert. Diese können so angelegt werden, dass beispielsweise auch die Anforderungen der Gütesiegel des Verbandes katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e.V. sowie der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (BETA) erfüllt werden und auf dieser Grundlage auch Audits bzw. Zertifizierungen möglich sind.

Für mich sind Konzeptions- und Qualitätsentwicklung zwei Seiten einer Medaille. Beide Male geht es um die Qualität der pädagogischen Arbeit. Deswegen empfehle ich die pädagogischen Anteile des Qualitätsmanagements und der Konzeption einheitlich entlang der pädagogischen Kernprozesse und Indikatoren zu gliedern und über die Qualitätskriterien inhaltlich zu zusammenzuführen. Wie das umgesetzt werden kann, können Sie am Beispiel des Kindertreffs Kunterbunt e.V. in Köln auf den Seiten 14 bis 38 nachvollziehen. Hier finden Sie die Konzeptionstexte zu den pädagogischen Kernprozesse und Indikatoren. Die für die Betriebserlaubnis in NRW zuständigen Landesjugendämter akzeptieren die pädagogischen Kernprozesse und Indikatoren in der im QM-Handbuch vorliegenden Form als Teil der pädagogischen Konzeption, so dass sich der Aufwand für die Konzeptionserstellung insgesamt deutlich reduziert.

Wer mehr über das pragma-indikatoren-modell® erfahren möchte, besucht unsere Website www.pragma-pim.de, lese meinen Aufsatz „Qualitätsentwicklung mit Hand und Fuß im Handbuch Kindergartenpädagogik und / oder bestelle mein Buch: Michael Schrader: Kita-Qualität im Team entwickeln. Wege und Methoden für ein maßgeschneidertes QM (Frühjahr 2019). Weitere Veröffentlchungen zu QM von Michael Schrader.